Diabetes Typ 1 & Ayurveda – ein Fallbericht

Ein Fallbericht aus der Naturheilkunde-Ambulanz im Immanuel Krankenhaus Berlin

Was ist Diabetes mellitus Typ 1?
TYP-1-DIABETES ist eine autoimmunologisch bedingte Stoffwechselstörung, bei der Betroffene kein oder nur kaum eigenes Insulin bilden. Insulin ist ein Hormon, das an der Regulation des Stoffwechsels, insbesondere dem der Kohlenhydrate („Zucker“), beteiligt ist. Es senkt den Blutzuckerspiegel, indem es Körperzellen dazu anregt, Glucose aus dem Blut aufzunehmen. Bei Typ-1-Diabetikern wird Insulin dauerhaft medikamentös ersetzt, um den täglichen Stoffwechsel zu ermöglichen. Auch akute Stoffwechselentgleisungen sowie langfristige Folgeschäden an Blutgefäßen und Nerven und an mehreren Organen wie Augen, Haut und Nieren werden dadurch minimiert.

Typ-1-Diabetes ist eine der häufigsten Stoffwechselerkrankung im Kindes- und Jugendalter. Schätzungen zufolge leben über 300.000 Menschen in Deutschland mit diesem Leiden. Die Erkrankung basiert auf einer genetischen Veranlagung und kann durch Umweltfaktoren (z.B. Infektionen, Stress, Traumata, Ernährung der Mutter) ausgelöst werden. Typische Symptome sind starker Harndrang, vermehrter Durst, schnelle Gewichtsabnahme, Müdigkeit und Azetongeruch der Atemluft.

Obwohl sich die Therapie mittels Insulininjektionen und -pumpen stark verbessert und zu einer deutlichen Lebensqualitätserhöhung der Betroffenen geführt hat, erfordert die Erkrankung hohe Disziplin und Selbstkontrolle, was Patienten oft als Stress oder Stigma erleben. Die Komplikationen sind bedrohlich und können eine verminderte Lebenserwartung bedingen. Zudem bedeuten der regelmäßige Insulinbedarf, die Blutzuckertestungen sowie die Aufwendungen für Folgeerkrankungen von Typ-1-Diabetikern eine hohe Kostenbelastung für das Gesundheitssystem.

Patientenbericht von Melanie C.* aus Berlin
Diabetes Typ 1 begleitet mich seit 35 Jahren. Diesen Begleiter habe ich inzwischen angenommen und mich davon nie einschränken lassen: Ich führe ein abwechslungsreiches Leben, reise in alle Welt, bin erfolgreich in meinem Beruf, mache Yoga, tanze, unternehme, worauf ich Lust habe, und esse, wonach mir gerade ist – das alles geht dank der modernen Insulintherapie.

Seit etwas mehr als zwei Jahren nehme ich an Seminaren für Persönlichkeitsentwicklung teil – damit begann emotional, mental und gesundheitlich für mich ein neues Leben. Jeder Mensch hat negative Emotionen. Bei den Seminaren hat jeder Teilnehmer diese Emotionen für sich herausgearbeitet und Werkzeuge an die Hand bekommen, sie ins Positive zu verwandeln. Ein weiterer Baustein auf diesem Weg sind geführte Meditationen zu Themen wie Dankbarkeit und liebevolle Güte. Ich beschloss, jeden Tag zu meditieren. Schnell öffneten sich mir neue Türen: Ich entdeckte beispielsweise Podcasts mit wunderschönen Meditationen. Zugegeben: Anfangs bin ich bei den Meditationen eingeschlafen. Doch nach einigen Wochen stellte ich fest, dass ich gelassener und ruhiger im Alltag wurde und ich positive Gefühle wie Lebensfreude jederzeit selbst abrufen kann. Das ist eine Bereicherung, insbesondere an stressigen Tagen.

In den genannten Seminaren fiel immer wieder das Stichwort „Ayurveda“. Auch diese Tür öffnete ich. Meine Heilpraktikerin empfahl mir die Ayurveda Sprechstunde von Heilpraktiker Elmar Stapelfeldt am Immanuel Krankenhaus Berlin. Der erste Besuch war erstaunlich: Anders als bei Schulmedizinern dauerte die Konsultation statt drei bis fünf Minuten eine Stunde. Mein Leben und das mich begleitende Krankheitsbild hat Elmar Stapelfeldt aus ayurvedischer Sicht ganzheitlich eingeordnet. Er gab mir eine Reihe Tipps. Nach und nach setzte ich sie um. Ich kaufe beispielsweise Vollkorn-Getreideflocken (insbesondere Gerste) anstelle von Brot, Mascobado- anstelle von weißem Zucker, Waldhonig, allerlei Gewürze (insbesondere bittere und scharfe), stellte um auf Vollkornreis und lernte Ghee (Butterreinfett) zuzubereiten – den herrlich meditativen Entstehungsprozess genieße ich sehr.

Die Entscheidung, mich ayurvedisch zu ernähren, erforderte anfangs viel Willenskraft. Schokolade, Jogurt, mein geliebtes Käsebrot oder Pasta mit viel Parmesankäse am Abend – all das konnte ich nicht von heute auf Morgen weglassen. Mir ist klar geworden, dass Essen sehr viel mit Gewohnheit, Emotionen und Erinnerungen zu tun hat, die wir mit den jeweiligen Speisen verbinden. Deshalb ist es eine Herausforderung, unsere Essgewohnheiten zu ändern. Anfangs traute ich mich nicht, den Mascobado-Zucker auszuprobieren, denn ich war gewöhnt, dass Zucker meinen Blutzucker blitzschnell in die Höhe treibt. Nicht der Mascobado-Zucker. Auch nicht der Waldhonig. Ich sammelte völlig neue Erfahrungen. Und: Der Zufall kam mir zur Hilfe: Zum Jahreswechsel war ich schwer krank. Aus dem Krankenhaus entlassen, hatte ich kaum genug Kraft um aufzustehen. Doch ich hatte Glück: Die Inhaberin des Ayurveda Café Uma bei mir um die Ecke bereitet herrlich duftende und schmackhafte Speisen zu. Zwei Stunden nachdem ich die Gerichte gegessen hatte, bemerkte ich immer einen Energieschub. Wieder bei Kräften ernährte ich mich mehr und mehr ayurvedisch mit den für mich individuell passenden Zutaten.

Heute stelle ich fest: Meine Tagesdosis an Langzeitinsulin konnte ich von 14,5 auf 6,5 Einheiten reduzieren. Der Faktor für die Broteinheiten hat sich von 1,5 Einheiten auf 0,75 Einheiten reduziert. Meine Werte sind meist stabil. Wenn ich erkältet bin oder im Job Hochsaison habe, muss ich derzeit noch Abstriche machen.

Hätte mir jemand vor zwei Jahren meine Entwicklung vorausgesagt, hätte ich diese aufgrund meiner Vergangenheit der letzten Jahrzehnte nicht für möglich gehalten. Mir ist bewusster denn je: Ich habe meine Gesundheit selbst in der Hand! Wenn ich ständig Pizza oder Marmeladen-Brötchen esse, steigt der Blutzucker auf über 300 an und benötigt trotz rechtzeitig gespritztem Insulin Stunden, um wieder in den Normalbereich zu kommen. Die Alternative: Ab und zu esse ich diese Speisen dennoch. Alles andere käme einem zu strengen Verbot gleich und wäre wie ein Korsett für mich. Doch grundsätzlich genieße ich ayurvedische Zutatenkombinationen, die leicht verdaulich sind, mich dadurch nicht müde machen und mir viel Energie geben.

Die „Werkzeuge“ aus den Seminaren und das Meditieren spielen für meine innere Kraft und Ausgeglichenheit eine wichtige Rolle. „Selfempowerment“ (Selbstverantwortung, Selbstbestimmung) ist das Wort, das mir inzwischen auf meinem Weg immer wieder begegnet. Meinen Impulsgebern wie Heilpraktiker Elmar Stapelfeldt und Dr. Christian Kessler bin ich sehr dankbar.

Wie hat die Behandlung gewirkt?
Die Behandlung von Typ 2-Diabetes gehört zu den Hauptindikationen der Naturheilkunde, insbesondere im Rahmen des sogenannten metabolischen Syndroms. Studienlage und klinische Erfahrungswerte sind übereinstimmend positiv. Typ-1-Diabetiker hingegen werden eher selten naturheilkundlich betreut und es finden sich bislang auch kaum Studien zu diesem Thema. Diese Erkrankung gilt als chronisch und kann mit einer lebenslangen Insulinpflicht verbunden sein.

Interessanterweise werden im Ayurveda – dem traditionellen Naturheilkundesystem Südasiens – seit alters her bereits zwei Grundformen des Diabetes unterschieden, die mit der modernen Einteilung recht gut übereinstimmen. In den klassischen Texten des Ayurveda finden sich umfangreiche Therapieempfehlungen für beide Formen, die auch in der heutigen Ayurveda-Praxis angewendet werden. Bei dieser Ausgangslage ist die Anwendung von Ayurveda-Methoden als explorative Maßnahmen sinnvoll mit dem Ziel, die Lebensqualität von Typ-1-Diabetikern verbessern zu helfen und möglichst den Insulinbedarf zu senken.

Die Ayurveda-Medizin basiert auf einem anderen Ansatz als die Schulmedizin. Jegliche Ayurveda-Behandlung besteht in der Bemühung, das innere Milieu des Körpers in einen gesundheitsförderlichen Zustand zu versetzen. Dies geschieht mithilfe eines Denkmodells, das sich auf über- oder unterrepräsentierte Eigenschaften im Körper und in der Psyche des Patienten bezieht. Beim Diabetes z.B. sind Eigenschaften wie „zu süß, zu klebrig, zu viel Fluss“ in der Symptomatik sichtbar. In der Ayurveda-Medizin werden Ernährung und Verhalten als die Ursache der meisten chronischen Erkrankungen angesehen. Entsprechend soll eine individuell geplante Änderung schädlicher Gewohnheiten zur Linderung beitragen. Dies wird mithilfe von „Eigenschaften“ der Therapiemaßnahmen angestrebt, die denen der Symptome entgegengesetzt sind. Insofern sollten „klebrige“ Nahrungsmittel (wie z.B. Käse, fettiges Fleisch) gemieden und eher „leicht verdauliche“ eingenommen werden. Dadurch wird der Stoffwechsel generell entlastet. „Wärmende“ Maßnahmen und Nahrungsmittel begünstigen den Stoffwechsel und beugen der Ablagerung schädlicher Substanzen vor (Stichwort „Insulinresistenz“). Bitterstoffe und anregende Gewürze sollen die „süße Stoffwechsellage“ des Diabetes ausgleichen und Ausleitungen generell den Körper von belastenden Faktoren befreien. All diese Maßnahmen haben sich als Entlastung des Körpers bewährt. Ein weiterer Grundansatz der Ayurveda-Medizin besteht in der individuellen Regulierung und Entlastung von Grundfunktionen von Körper und Psyche. Dies soll eine Förderung von selbstregulativen Prozessen begünstigen. Gute Ernährung, Lebensführung und emotionale Grundausrichtung sorgen nach ayurvedischer Erfahrung langfristig für eine solche Förderung.

Bei Melanie C. konnte auf diese Weise ein deutlicher Zuwachs an Lebensqualität erreicht werden. Die Reduktion des Insulinbedarfs ist ebenfalls bemerkenswert. Gerade die Kombination von Ernährungs- und Verhaltensveränderungen mit emotionalen Techniken bedingen diesen Therapieerfolg. Die Patientin war hoch motiviert. Regelmäßige Behandlerkontakte förderten die Motivation noch und der Bericht zeigt deutlich auf, dass die Patientenzufriedenheit durch eine selbstwirksame Therapie steigt. Die Patientin war seit der Kindheit durch ihre Erkrankung stark eingeschränkt und gänzlich von der Insulintherapie abhängig. Die ayurvedischen Empfehlungen erlebte sie als Möglichkeit, einen eigenen Beitrag für ihre Gesundheit leisten zu können. Diese emotionalen Komponenten sind für viele Patienten entscheidend.

Selbst wenn eine Reduktion des Insulinbedarfs nicht mit einer tatsächlichen Heilung gleichzusetzen ist, so ermutigt der vorliegende Fall zu einer Neubetrachtung der naturheilkundlich-therapeutischen Möglichkeiten bei Diabetes mellitus Typ 1. Die Kombination aus schulmedizinischer Basistherapie und naturheilkundlichen Maßnahmen hat deutliche Vorteile. Die Frage stellt sich, inwieweit Typ-1-Diabetiker durch Ayurveda-Behandlung auch eine Reduktion der bedrohlichen Komplikationen erlangen können, wie sie eingangs dargestellt wurden.

In den Ursprungsländern des Ayurveda wurden umfangreiche Erfahrungen in dieser Hinsicht gesammelt. Im Vergleich zu den im vorliegenden Fall beschriebenen Ansätzen, fällt jedoch die Therapie dort viel intensivier aus. Ambulant ließe sich dies durch den Verzehr von einem großen Anteil von pflanzlichen Eiweißen, wie sie z.B. in Hülsenfrüchte zu finden sind, erreichen. Im Ayurveda werden vor allem Mungobohnen und Munglinsen empfohlen, die als phasenweise Monodiät – angereichert mit stoffwechselanregenden Gewürzen und leicht verdaulichen Gemüsen – besonders wirksam werden. Zudem bietet die Ayurveda-Pflanzenheilkunde eine umfangreiche Palette an Bitterpflanzen und traditionellen Kombinationspräparaten, die regulativ bei Diabetes wirksam werden. Stationäre Aufenthalte ermöglichen ferner, individuell geplante Ayurveda-Ausleitungsverfahren durchzuführen.

Fazit
Die Erfahrungen von Melanie C. auf ihrem Gesundheitsweg sind ermutigend. Ayurveda ist ein wichtiger Begleiter für sie geworden. Ließen sich die Ayurveda-Angebote in Deutschland weiter ausbauen und medizinisch verbessern, könnten viele Menschen im Umgang mit einem chronischen Leiden unterstützt werden – in Kombination mit der Schulmedizin.

Ein Beitrag von Elmar Stapelfeldt, Ayurveda-Ernährungstherapeut in der Abteilung für Naturheilkunde am Immanuel Krankenhaus Berlin.

* Name zum Datenschutz der Patientin von der Redaktion geändert.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert